Persönliche Beratung
1999 ist ein gutes, aber nicht herausragendes Jahr in der Champagne, aber es gibt einen großen Überflieger, den Grande Annee von Bollinger. Er hat nicht die Säurestruktur und geballte Kraft von 1996 aber ist noch vor 1995 der zweite große Star der 1990er Jahre. 1990 ist übrigens in der Champagne reif und fruchtig, aber oft nicht erstklassig.
Er ist jetzt am Beginn des optimalen Trinkfensters, in dem sich fruchtige und nussige Aromen verbinden, wird sich aber noch verbessern.
Richard Juhlin beschreibt ihn auf champagneclub.com: 96(96) The 99 is super-gorgeous with lovely balance and easily accessible creaminess, even now with chocolate and nutty undertones. Will certainly keep for a very long time and should, despite its early charm, be stored for at least five more years before being consumed. Beautiful and chocolatey 2023. Last bottle at Les Crayeres 98 points and one of the most sensational bottles this year.
Nach einem eher frühen Vegetationstart entwickeln sich die Reben gut, ohne von Frost ausgebremst zu werden. Im Mai gibt es verbreiteten Hagel. Der Sommer ist warm und sonnig und der August auch trocken ohne Krankheitsdruck. Die Trauben entwickeln sich gut und es verbreitetet sich Optimismus, dass nach 1996 wieder ein großes Jahr folgen könnte. Im September setzt häufiger Regen und a feuchtes Wetter ein. Am 15. September beginnt eine Ernte mit guten Erträgen. In einigen Fällen hat der späte Regen jedoch die Moste verdünnt.
Die Trauben sind sehr reif und die Weine haben wenig Struktur und geringer Säure. Die Champagner haben frühreifen Charme, viel Frucht, die manchmal auch exotisch ausfällt und entwickeln sich schnell.
Es gibt jedoch nicht wenige sehr gute Pinot Noirs. Bollinger und Roederer ernten aus alten Reben konzentrierte Trauben mit hoher phenolischer Reife und guter Struktur.
Wenn man an die Ursprünge von Bollinger denkt, fällt einem zuerst Joseph Bollinger ein, einer der zahlreichen Deutschen von den Krugs, über die Heidsiecks bis zu den Deutz, die in der Champagne ihr Glück suchen und entscheidende Aufbauarbeit leisten. Joseph kümmert sich jedoch um die kommerzielle Seite. Als das Haus Bollinger Renaudin & Cie am 6. Februar 1929 steht schon ein stattlicher Besitz von Weinbergen um Ay zur Verfügung. Athanase de Villermont erbt diese, nachdem er sich im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg als Soldat ausgezeichnet hat. Er erkennt das große Potenzial für den Anbau von Wein aber aber Champagner ist für ihn keine standesgemäße Beschäftigung, weswegen er den Herren Bollinger und Renaudin den Vortritt lässt und sich hinter dem "Cie" versteckt.
Bollinger besitzt heute 178 h Reben ist großen Lagen. Historisch gesehen ist es das Savoir-Faire der Häuser, das den Mehrwert schafft, während der Traubenanbau in kleinbäuerlicher Hand liegt. Es wäre für erfolgreiche Häuser einfach die Weinberge zu kaufen, aber aufwendig, die Pflege großer Flächen effizient und qualitativ hochwertig zu organisieren. Der Vertragsanbauer bewirtschaftet eigenes Land und wird für Trauben bezahlt, sodass seine Motivation ungleich höher ist, als die von schlecht bezahlten Lohnarbeitern. Bollinger meistert jedoch diese Herausforderung.
Was treibt Joseph Bollinger dazu, sich um eigene Weinberge zu kümmern? Er erkennt früh die Bedeutung des Terroirs. So versteht er auch lange, bevor solche Faktoren überhaupt wahrgenommen werden und ein Thema sind, dass Ay zwar hohe, sichere Abreife des Pinot Noirs bedeutet, aber gerade in wärmeren Jahren zu reichhaltige Weine erzeugen kann, denen es an Frische, Ausgewogenheit und sogar in einigen Fällen Komplexität fehlen kann. Aus dieser Erkenntnis entschließt er sich Land im kühleren Grand Cru Verzenay zu kaufen, was von seinen Nachkommen fortgesetzt wird.
Heute, zu Zeiten, in denen Land und Trauben teuer sind, ist es der Besitz an eigenen Lagen, der es dem Haus ermöglicht aufwendige, traditionelle Verfahren mit kostenintensiver Handarbeit zu Pflegen. Die Fässer werden im Haus hergestellt, die Flaschen von Hand gerüttelt und die Reserveweine nicht in Tanks gelagert, sondern in Magnums unter Naturkorken. Da Trauben nicht teuer bezahlt werden müssen, hat man ganz andere finanzielle Möglichkeiten.
Bollinger hat sich zu einer Gelddruckmaschine entwickelt und erzeugt hat mit dem Special Cuvee eine gewaltige Expansion vollzogen. Bei seiner Einführung vor etwa 100 Jahren war Special Cuvee in der Qualität nicht so weit hinter dem Vintage. Nur eigene Trauben aus besten Lagen wurden in der Cuvee eingesetzt. Special Cuvee war auf einem Niveau, von dem auch viele Prestige Champagner heute nur träumen können. Flaschen aus den 60er Jahren sind heute gut gelagert noch erstaunlich. Selbst vor 20 Jahren, war es noch ein toller Champagner, während es heute ein gut gemachtes Massenprodukt ist.
Die Vintage Champagner, heute La Grande Annee genannt, gehören immer noch zu den Höhepunkten der Champagne. Welches Haus hat eine ähnliche Serie großer Jahrgänge? Nur Krug:
Die glorreichen Zwanziger Jahre sind heute aus dem Bollinger Keller immer noch die Referenz: 1921, 1928 und 1929. 1945 und 1934 sind Solitäre. 1959 beginnt ein großer Lauf, der mit 1964, 66, 69 und 73 fortgesetzt wird. Folgt eine Schwächephase? 1975, 1979, 1982 sind etwas unter den Erwartungen, 1976 sogar heute enttäuschend, aber ab 1983 beginnt wieder eine Serie, die mit 1985 und 1988 fortgesetzt wird. 1995, 1996, 1999, 2002 und 2008 sind fabelhaft. Aber auch die kleineren unter den "Grande Années" sind stark.